DIOSES / GÖTTER – Ein Film von Josué Méndez, Peru

Inhaltsangabe

Die Geschwister Andrea und Diego wohnen in einer der exklusivsten Strandvillen Limas, der Hauptstadt Perus. Ihre Tage verbringen die beiden jungen Leute mit sonnenbaden, surfen, Volleyball spielen, mit essen, trinken und tanzen. Andrea und Diego leben bei ihrem Vater, Augustín Bottger, einem einflussreichen und mächtigen Unternehmer. Er stammt aus einer wohlhabenden Familie und gehört zur dritten Generation von europäischen Einwanderern in Lima.

Martin hat gerade beschlossen, mit seiner neuen Freundin Elisa zusammen zu ziehen. Sie ist zwanzig Jahre jünger als Martin und kommt aus wesentlich einfacheren Verhältnissen als er. Viele Jahre lang war Elisa Martins Sekretärin, bevor sie jetzt versuchen, zusammen zu leben. Wie alle Dinge und Menschen, die ihn umgeben, möchte Martin auch Elisa nach seinen Vorstellungen formen und in seine Ordnung der Welt einfügen.

Von der ersten Szene an ist der Prozess der Anpassung Elisas an diese neue Welt, die Welt der Oberschicht, die Welt des äußeren Scheins und der gesellschaftlichen Konventionen eine große Herausforderung für beide, ein Prozess, bei dem nach und nach die Vorstellungen vom gemeinsamen Leben und die Bedürfnisse beider Protagonisten, Elisa und Martin, infrage gestellt werden und unterzugehen drohen.

Martins Tochter Andrea ist eine rebellische junge Frau. Sie verfolgt jedoch keine klaren Ziele und sieht ihre Hauptaufgabe darin, sich den Erwartungen ihres Vaters und der anderen Erwachsenen, die sich am Strand tummeln, zu widersetzen. Obwohl sie schon vor Jahren ihr Abitur gemacht hat, bemüht sie sich nicht im Geringsten darum, ein Studium aufzunehmen. Andrea feiert lieber eine Party nach der anderen und verbringt ihre Zeit mit Freunden.

Ihr Bruder Diego ist ein seltsamer junger Mann. Er hat nur wenige soziale Kontakte. Meist ist er allein, und nur selten sieht man ihn mit einem seiner wenigen Freunde. Diego verbirgt ein Geheimnis, das ihn umtreibt und sich schuldig vorkommen lässt: Er fühlt sich auf unkontrollierbare Weise von seiner Schwester angezogen. Seit frühester Kindheit übt Andrea eine gewisse Macht über ihn aus. Eine große Rolle im Leben der Geschwister spielte auch die Mutter, bis sie Martin verließ und seitdem im Ausland lebt. Ohne die Präsenz der Mutter scheint Diego jetzt all seine Gefühle auf Andrea zu konzentrieren.

Der Film folgt zwei klaren und einfachen Erzählsträngen. Auf der einen Seite geht es um die Anpassung Elisas an die Welt der Oberschicht. Auf der anderen Seite wird dargestellt, wie Diego sich zunächst zu seiner Schwester hingezogen fühlt und später dann enttäuscht ist von dieser trügerischen und unbeantworteten Leidenschaft.

Das Verweben dieser zwei thematischen Linien, die die Filmerzählung strukturieren, löst eine Abfolge von Filmsequenzen aus, die in erster Linie das Leben dieser Personen und ihren Alltag zeigen, den oberflächlichen und sorglosen Lebensrhythmus der Menschen, die in den Luxusvillen am Strand residieren.

Elisa erfährt ihre „Ausbildung“ durch eine Gruppe von Damen, alle etwa 20 Jahre älter und wesentlich privilegierterer Herkunft als sie. Je länger sie mit ihnen zusammen ist, desto klarer wird Elisa, dass es sie weit mehr Mühe und Kraft kosten wird als gedacht, wirklich Teil dieser Welt zu werden. Das Leben in der neuen Umgebung unterliegt sehr strengen und ganz eigenen Regeln. Am Anfang glaubte sie noch, sie habe Zugang zu einer viel sorgloseren und ruhigeren Welt gefunden. Im Lauf der Zeit bemerkt Elisa jedoch, dass der soziale Druck in diesem Umfeld genauso groß ist, wie überall anders auch. Bei den gesellschaftlichen Zusammenkünften langweilt sie sich zunehmend und beginnt, die Freiheit und die Hoffnungen zu vermissen, die sie vor dem Zusammenleben mit Martin hatte.

Auf der anderen Seite bemüht sich Diego darum, eine Gelegenheit zu finden, die seltsame Hingezogenheit zu seiner Schwester zu befriedigen. Er findet diesen Moment, was aber nur dazu führt, dass er sich noch schlechter fühlt. Zunehmend ist er ist von seiner Umgebung, aber auch von dem Versuch enttäuscht, sich auf seine Weise gegen die Erwartungen der Familie aufzulehnen. Eine besondere Beziehung verbindet Diego auch mit Nelly und Inés, die als Hausangestellte bei den Bottgers arbeiten. Nelly, die ungefähr 50 Jahre alt ist, hat Diego praktisch aufgezogen, und die 16-jährige Inés zeigt ihm gegenüber eine platonische Bewunderung. Auf ihnen lädt Diego alle Gefühle und Frustrationen eines Heranwachsenden ab.

Andrea setzt ihr oberflächliches Leben fort. Es scheint, als sei sie an einer Karriere als Model interessiert, aber sie trifft keine Entscheidung und unternimmt keine ernsthaften Schritte in diese Richtung. Eines Tages wird sie von der Nachricht überrascht, dass sie schwanger ist. Diesmal wird sie die erste wirkliche Entscheidung ihres Lebens treffen müssen. Da die Schwangerschaft das Ergebnis einer nur oberflächlichen Beziehung ist, möchte Andrea abtreiben. Das ablehnende Verhalten des Arztes und der Druck ihrer Freundinnen bringen sie jedoch von ihrer Entscheidung ab. Sie wird wieder einmal darauf warten müssen, dass jemand anders ihr Problem löst: ihr Vater. Martin schlägt seiner Tochter vor, das Kind zu behalten, aber nicht für sich selbst, sondern für ihn: Er und Elisa werden die offiziellen Eltern sein. Um jeden Skandal zu vermeiden, soll Andrea die Schwangerschaft in Miami austragen und darf danach dort bleiben und ohne Geldsorgen den ewigen Frühling Floridas genießen. Andrea scheint dies die praktischste Lösung für alle zu sein. Martin will damit seinerseits vermeiden, dass Elisa weiter darauf drängt ein Kind von ihm zu bekommen. Denn das würde in seinen Augen wegen der „niedrigen“ sozialen und ethnischen Herkunft Elisas nicht seiner eigenen Klasse und Herkunft entsprechen.

Martin bietet Elisa also an, ein Kind zu bekommen, aber kein eigenes, sondern das von Andrea. Elisa sieht darin nach anfänglichem Widerstand eine Möglichkeit, ihre Position zu festigen und ihren Aufenthalt in der neuen Umgebung zu sichern. Sie beschließt, in Martins Plan einzuwilligen, aber natürlich nur unter exklusiven Bedingungen: Sie will einige Monate im Ausland leben, und so tun, als ob sie ihre Schwangerschaft dort austragen würde. Martin soll dann später nachkommen, und die beiden werden verheiratet und mit „ihrem“ Neugeborenen nach Lima zurückkehren. Elisa teilt ihrer Familie, die sie lange nicht gesehen hatte, die „freudige“ Nachricht mit.

Als Diego von Andreas Abreise erfährt, empfindet er das Verhalten seines Vaters und seiner Schwester als unverzeihlichen Verrat an seinem Liebesbedürfnis. Da er keinen Grund sieht, noch länger zuhause zu bleiben, verlässt er das Haus seines Vaters. Er weiß aber nicht, wohin er soll. Er beschließt, Nelly anzurufen und sie zu bitten, einige Tage bei ihr bleiben zu dürfen. In ihrem einfachen Haus in einem Armenviertel Limas lernt Diego zum ersten Mal in seinem Leben die Einschränkungen und Entbehrungen einer sozialen Schicht kennen, die von seiner eigenen Realität meilenweit entfernt ist, obwohl er Menschen wie Nelly oder Inés, die auf diese Weise leben, kennt und sogar mit ihnen aufgewachsen ist. Indem er mit Nelly spricht und so lebt wie sie – das heißt wie die große Mehrheit in Peru –gelingt es Diego schließlich, zu sich selbst zu finden, sich besser kennen zulernen und zu akzeptieren. Er kehrt nach Hause zurück, aber mit einer anderen Sicht auf seinen Vater, den ihm der Zufall zugeteilt hat, und auf das Land, in das er zufälligerweise hineingeboren wurde.

In der letzten Szene des Films – eine Hommage an die Rituale und Konventionen unserer Gesellschaft – beglückwünschen alle Mitglieder der Strandsociety Martin und Elisa zu „ihrem“ neugeborenen Kind und feiern dessen Taufe in der großen, schönen Stadtvilla von Martin im Luxusviertel Limas, Monterrico. Die Welt der Protagonisten hat sich endgültig verändert, aber nur, damit alles genauso weitergeht wie immer.

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